2. Pressestatement

Rund drei Wochen sind vergangen seit der Nachricht, dass das Kulturhaus an der Werner-Bock-Str. wieder als Unterkunft für Geflüchtete genutzt werden soll und unser Verein damit das Haus vorläufig verlassen muss. In kürzester Zeit haben wir umgeschwenkt: Gerade noch steckten wir in den Planungen bevorstehender Projekte, haben sogar Visionen eines um die weiteren ehemaligen FH-Gebäude erweiterten »Kulturcampus« konzipiert. Wir sind vor allem aber auch der alltäglichen künstlerisch-soziokulturellen Arbeit nachgegangen. Plötzlich sahen wir uns aber in der Situation, einen enorm aufwändigen Auszug in kürzester Zeit zu planen, zu organisieren und schließlich zu vollziehen. Und das alles weit vor unserer vertraglich festgelegten Kündigungsfrist von einem Monat. Für die Aktiven im Haus eine Selbstverständlichkeit in Anbetracht der nötigen Solidarität.

Dieser Kraftakt hat letztlich vor allem deswegen sehr gut funktioniert, weil viele von uns besonders engagiert notwendige Koordinationsarbeit geleistet haben: mit Verantwortlichen des »Deutschen Roten Kreuzes« als Betreiber der Unterkunft, des ISB als Verwalter des Gebäudes, des Kulturamtes als unser Vermieter, des Technischen Hilfswerks als tatkräftige Unterstützung beim Abtransport unserer Möbel und Ausstattungen. Und weil wir alle als Vereinsmitglieder wiederum unsere Kommunikationsstruktur und unser gut funktionierendes Netzwerk zu nutzen wussten und alle Hebel in Bewegung gesetzt haben. Rundum war es für alle Beteiligten aber v. a. ein kräftezehrender (ehrenamtlicher) Organisationsakt, den wir innerhalb von nur einer Woche gemeistert haben.

Wir sind froh, dass wir von befreundeten Kulturorten und Künstler*innen Zuspruch, Unterstützung und konkrete Solidarität erfahren, indem Ausstellungs-, Lager- und Arbeitsflächen angeboten werden. Es ist natürlich möglich und auch wichtig, dass Einzelne dadurch weiter arbeiten können, wenn auch nicht immer im vollen Umfang.

#kulturOHNEhaus

Aber: Es ist die große Qualität und Stärke des Kulturhaus e.V. mit einem selbstorganisierten, kollektiv genutzten und belebten Ort, dass dort die Vielen zusammenkommen und sich mit ihrer Unterschiedlichkeit wie ihren Gemeinsamkeiten, ihrem Ideenreichtum und ihren Visionen verbinden können. Der Verein hat die Kraft und Kreativität, sich eine Weile auch ohne eigenes Gebäude über Wasser zu halten, zu agieren, wirksam zu sein. Auf längere Sicht ist dieser Zustand aber nicht tragbar.

Schließlich geht es nicht nur darum, dass den Vereinsmitgliedern der konkrete Ort für Kunst, Kultur, soziopolitisches Engagement und Begegnung fehlt. Mit dem Auszug aus dem Kulturhaus an der Werner-Bock-Straße ist auch vielen weiteren sozialen, politischen und künstlerischen Initiativen wie Chören, Shaolin for Kids, Artists Unlimited, Seebrücke, Final Bar Orchestra, dem Kinokabaret, Mondo Musica, Kinderferienprogrammen, einer Küche Für Alle oder den Kulturwandertagen (Kulturrucksack) und vielen weiteren Projekten ein wichtiger Raum verloren gegangen. Das Kulturhaus »Ostblock« hat zudem für viele angehende künstlerische und/oder kulturschaffende Akteur*innen in Bielefeld eine Perspektive geschaffen: Nämlich die Chance Fuß zu fassen in einer Stadt, die nicht Berlin oder Leipzig heißt.

Die ohnehin schon durch die Pandemie geschundene Kulturszene und somit auch die Vereinsmitglieder, Nutzer*innen und Gäste des Kulturhauses trifft dieser Auszug und die Situation, auf unbestimmte Zeit ohne Wirkungsort zu sein, besonders hart. Werden in naher Zukunft keine hinreichenden (Übergangs-)Lösungen gefunden, stehen viele vor dem Aus.

Wir können daher nur nochmal betonen, was wir schon in unserem ersten Statement formuliert haben: Wir fordern von den Zuständigen der Stadt, dass sie sich engagiert darum kümmern, im engen Austausch mit dem Verein nach Möglichkeiten der Zwischennutzung zu schauen, damit kurzfristig Projekte und Arbeiten umgesetzt und fortgeführt werden können. Außerdem sind wir natürlich daran interessiert und auch als Verein, der auf der ehrenamtlichen Arbeit aller beruht, darauf angewiesen, eine langfristige Perspektive entwickeln zu können. Wir schätzen daher die Zusicherungen Herrn Nürnbergers, des Kulturdezerneten Herrn Witthaus sowie auch seitens des Kulturamtes, sich für eine Rückkehr des Kulturhauses in den »Ostblock« einzusetzen. Wir wollen “unser” Haus zurück, sobald die Situation dies zulässt! Wir fordern von den Verantwortlichen der Stadtverwaltung jenseits von Lippenbekenntnissen klare Zusicherungen; seien es verbindliche Garantien oder Verhandlungen mit dem Eigentümer des Grundstücks, dem BLB.

Wir fordern einen respektvolleren Umgang mit unserer Arbeit als Verein, der als »Ostblock« soziokulturell in Mitte-Ost und für die gesamte Stadt von Bedeutung ist. Unser Verein hat bei der ersten Teilnahme zu den Nachtansichten 2019 über 2.000 Besucher gezählt und hat während der Zeiten diverser Lockdowns unter strengen Bestimmungen mit Veranstaltungen wie den »Ostblockluken«, den »Creative Shortcuts«, den Kunstausstellungen oder dem »Night Flow Market« hervorragende kulturelle Arbeit geleistet und damit immer wieder das Potential, das im Verein steckt, unter Beweis gestellt. Wir fordern ein Ende der schon immer prekären Grundsituation eines auf ein Jahr begrenzten Mietvertrags und eine langfristige Perspektive an der Werner Bock Str.. Dass bei der Berichterstattung der beiden großen lokalen Tageszeitungen »Neue Westfälische« und »Westfalen Blatt« über die Einrichtung von Unterkünften das Gebäude an der Werner-Bock-Straße ausschließlich als »Laborgebäude« gehandelt wird und der Kulturhaus e.V. keinerlei Erwähnung findet, empfinden wir als enttäuschend und fragen uns, warum die langjährige Arbeit von über 120 Vereinsmitgliedern, unterstützt unter anderem durch circa 90 Fördermitgliedschaften an diesem Standort auf diese Weise unsichtbar gemacht wird.

Und a pro pos Fördermitglieder: Durch nicht stattfindende Veranstaltungen und ausbleibende externe Raummieten, gehen natürlich auch einige Einnahmen aktuell nicht auf unserem Konto ein, manche Fixkosten (technische Infrastruktur, zwei hauptamtliche Mitarbeiter,..) bleiben aber bestehen. Wir sind daher dringend auf der Suche nach weiteren Fördermitgliedern, die unseren Verein dabei unterstützen, sich für die Zeit ohne Haus über Wasser halten zu können! Näheres dazu auf unserer Homepage (Unterstützung).

Bielefeld, 04.04.2022