Statement zu Kava im Kulturhaus

Kultur braucht Zukunft – nicht nur Kompromisse
Planungskontinuität und Freiräume für den Kulturhaus Bielefeld e.V.

Wieder einmal werden zwei prekarisierte Gruppen gegeneinander ausgespielt und die Kultur verliert. Doch wir bleiben nicht leise und fordern Gespräche auf Augenhöhe und langfristige Perspektiven für das Kulturhaus.

Wir, der Kulturhaus Bielefeld e. V., stehen seit 2019 als offener Ort für Kultur, Kunst und soziale Teilhabe im Quartier. In 40 Ateliers, Gemeinschaftsräumen und im Kulturhausgarten finden Kunst- und Kulturschaffende, Initiativen und Engagierte einen Raum für Kreativität, Vernetzung und soziales und politisches Engagement.

In der Notsituation im März 2022 haben die Kulturschaffenden ohne Zögern Platz gemacht und Räume für Ukrainer:innen bereitgestellt, die vor dem russischen Angriffskrieg flohen. Heute erleben wir erneut, dass Soziales gegen Kultur ausgespielt wird – ein Muster, das die kulturelle Entwicklung der Stadt gefährdet und dringend überwunden werden muss.

Die Stadt hat uns beim Auszug 2022 Zwischennutzung und die Suche nach anderen Möglichkeiten in Aussicht gestellt. Zwar besichtigten wir in der Zeit ohne Haus Immobilien, jedoch waren dies keine realen Optionen. Weder für uns noch für die Stadt. In den anderthalb Jahren wurde klar – entweder es wird wieder das Gebäude an der Werner Bock Straße – oder es ist das Aus für den Verein.
Im Oktober 2023 konnte der Verein wieder in das Gebäude einziehen, doch nicht ohne Bedingung. Uns wurde in Aussicht gestellt, dass die Kava – Treffpunkt für Menschen in besonderen Lebenslagen 2024in einen Teil desselben Gebäudes einziehen würde. 
Die Kava ist ein Tagesaufenthalts- und Beratungsangebot. Es richtet sich insbesondere an Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder bereits wohnungslos sind, an Personen in besonderen sozialen Notlagen sowie an Menschen mit Schwierigkeiten im Umgang mit Alkohol. Das Angebot umfasst neben Aufenthaltsmöglichkeiten auch praktische Hilfen wie die Nutzung von Waschmaschine, Dusche und Trockner, ein Essensangebot zum Selbstkostenpreis sowie Zugang zu Internet und Fernsehen. Darüber hinaus stehen die Mitarbeitenden der Einrichtung den Besucher:innen bei persönlichen Problemen beratend und unterstützend zur Seite. Die Räumlichkeiten der Kava in der Kavalleriestraße sollten im Sommer 2024 saniert werden. Für die Dauer der Bauarbeiten sollte das Angebot daher in Teile des Gebäudes an der Werner-Bock-Straße verlegt werden.
Dies wurde in unserem Mietvertrag vom 23.09.2023 festgehalten. Verhandlungsoptionen hatten wir keine. Wir waren bereits seit über einem Jahr ohne Haus und es war klar, wenn wir ablehnen, bleiben wir ohne Haus. Im Vertrag war der Einzug der Kava für 2024 festgehalten. Dafür würde das Kulturhaus sechs Räume abtreten müssen und die betroffenen Mitglieder ihre Arbeitsplätze verlieren. 
Das Jahr 2024 verstrich und die Kava zog nicht ein. Durch verschiedene Presseberichte und Äußerungen aus der Verwaltung in den vergangenen Monaten entstand der Eindruck, dass das Sozialamt inzwischen alternative Lösungen für die Unterbringung der Kava gefunden habe. Dem scheint nicht so, das erfuhren wir durch eine Mail vom 17.06.2025 aus dem Sozialausschuss.

Wir stehen grundsätzlich hinter dem Konzept des Tagesaufenthaltes der Kava und wissen um die Bedeutung solcher Einrichtungen – gerade für besonders vulnerable Gruppen. Dennoch möchten wir darauf hinweisen, dass die derzeit geplante Lösung existenzielle Nachteile für das Kulturhaus, die dort arbeitenden Künstler:innen sowie die Bildungs- und Kulturarbeit im Quartier mit sich bringen würde. Es muss ein passender Ort gefunden werden, der den Anforderungen dieser Einrichtung entspricht, die Räumlichkeiten des Kulturhauses bieten dies nicht. Dies wurde auch bei der Begehung mit dem Immobilienservicebetrieb (ISB), dem Sozialamt und der Kava am 25.08.25 deutlich. Es fielen mehrere Probleme auf: fehlende Duschen, zu wenige Toiletten, mangelnde Fluchtwege. Ein enormer Aufwand für bauliche Maßnahmen und die Teilung des Gartens, um eine räumliche Trennung zu gewährleisten. Die Vorschläge seitens des Sozialamtes Dixiklos und Duschcontainer aufzustellen, die nicht barrierefrei sind, empfinden wir als Unmöglichkeit. Deshalb fragen wir – gibt es keine andere Alternative, die allen Beteiligten besser passt?

Bei den wenigen Gesprächen, die mit uns geführt wurden, suggerierte man uns, dass der geplante Einzug der Kava ins Kulturhaus Bielefeld feststeht und nicht mehr zu verhindern wäre. Es macht den Anschein, dass wir kein Akteur sind, mit dem man direkt Gespräche führt, sondern über dessen Kopf man entscheiden kann.
Ein Beschluss der Sitzung der Bezirksvertretung Mitte vom 26.06.2025 lautete wie folgt: „Die Bezirksvertretung bittet die Verwaltung alternative Unterbringungsmöglichkeiten für die Kava zu prüfen und den zuständigen Gremien vorzustellen.“ Somit fragen wir – Wurden alternative Unterbringungsmöglichkeiten ernsthaft geprüft? Warum gibt es keine Alternativen zum Kulturhaus?

Falls es nicht verhindert werden kann, was wir bezweifeln, ist entscheidend, wie es für das Kulturhaus und den Verein weitergeht. Damit es auch künftig ein lebendiger Ort für Kunst, Kultur und Stadtgesellschaft bleibt, braucht es klare Zusagen und verlässliche Rahmenbedingungen. Es braucht Sicherheiten, dass der Verein nicht bei der nächsten Möglichkeit wieder aus dem Gebäude gedrängt wird.

Wir fordern langfristige Verträge, die echte Planungssicherheit gewährleisten, und Gespräche auf Augenhöhe mit allen Beteiligten. Bisher wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt und sehen das nicht ein. Während der Kulturhaus Bielefeld e.V. lediglich halbjährliche Mietverträge mit einmonatiger Kündigungsfrist erhält und alle sechs Monate bangen muss, spricht das Sozialamt bei der Kava von mindestens zwei Jahren Unterbringung. Wir fordern Mietverträge von mindestens 10 Jahren, damit wir langfristig in das Gebäude und die Bielefelder Kulturszene investieren können.  

Statt echte Leerstände in der Stadt zu nutzen, werden funktionierende Strukturen gefährdet. Kulturarbeit kann nur gelingen, wenn die dafür notwendigen Räume auch tatsächlich vorhanden sind. Sollte es zum Einzug der Kava in das Gebäude des Kulturhauses kommen, müssen für jeden wegfallenden Raum echte Alternativräume bereitgestellt werden. Das bedeutet: mindestens 20 Grad Raumtemperatur, Tageslicht, zentrale Lage, eine Fläche von mindestens 25 Quadratmetern und Abschließbarkeit. Diese Bedingungen werden von den uns bisher angebotenen Räumen nicht erfüllt.

Ebenso unverzichtbar ist ein finanzieller Ausgleich für die wegfallenden Mieteinnahmen von über 1.000 Euro. Der Verein hat aktuell ohnehin mit finanziellen Problemen zu kämpfen, durch die kurzfristigen Mietverträge seitens des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) und damit verhinderten Förderungen. Wir haben in diesem Jahr etwa 33.000 Euro aus eigenen Mitteln (!) in Brandschutzmaßnahmen investiert, um Veranstaltungen in unseren großen Räumen – dem Open Space und der Küche – durchführen zu können und damit unsere Arbeit nach außen, in Stadt und Quartier, zu intensivieren.

Darüber hinaus erinnern wir daran, dass in den ursprünglichen Verhandlungen im Jahr 2023 von sechs Räumen die Rede war, nicht von sieben, wie es bei der letzten Begehung am 25.08.25 seitens Sozialamt und ISB hieß. Wir erwarten, dass an Zusagen, die gemacht wurden, festgehalten wird. 

Der Kulturhaus Bielefeld e.V. hat über die letzten Jahre gezeigt, dass es weit mehr ist als nur ein Haus: Es ist ein zentraler Ort für Kreativität, Vernetzung und kulturelles Leben.
Jedoch ist das Kulturhaus nicht nur ein Ort für Kunst und Kultur, sondern zunehmend auch ein Bildungsstandort für Kinder- und Jugendprojekte. Unsere Angebote reichen von kreativen Workshops bis zum Sommerfest mit Spielangeboten im Außenbereich. Hier braucht es verlässliche Schutzräume für Kinder, Jugendliche, Familien sowie die im Kulturhaus arbeitenden Künstler:innen und Engagierten. Die gleichzeitige Unterbringung einer Einrichtung wie der Kava wirft berechtigte Fragen zur Vereinbarkeit auf.

Wir appellieren an die Stadtpolitik klar Stellung zu beziehen. Der Kulturhaus Bielefeld e.V. ist kein Problemfall, sondern ein Gewinn für die Stadt – und muss als kulturelles Herzstück entsprechend geschützt und gestärkt werden. Kultur darf nicht kleingerechnet werden, sondern gehört in den Rahmen des Kulturentwicklungsplans sichtbar und zukunftsorientiert verankert.

Kulturhaus Bielefeld e.V.